Am vorletzten Aprilwochenende durften wir den Schweizer Reisejournalisten Reto Wild, der für das Migros Magazin (2,3 Mio. Leser, erscheint wöchentlich) seine Reisen in Wort und Bild fasst, auf Gut Zentgraf willkommen heißen.
Drei Tage tourte er durch die Region uns lässt nun durch Text und Bild seine Schweizer Landsleute an den Schönheiten des Burgenlandes teilhaben.
Geheimtipp für den Frühling: Österreichs Sonnenstube
Text und Fotos: Reto Wild
Erschienen im Migros Magazin am 2. Mai 2016
Das Burgenland ist Österreichs östlichstes, sonnigstes und unbekanntestes Bundesland. Hier scheint an 300 Tagen pro Jahr die Sonne und sorgt mit 2000 Sonnenstunden für ein mildes Klima. Sieben Tipps für eine erlebnisreiche Reise im Frühling.
Weite Ebenen, sanfte Hügelzüge, Obstbäume, Reben und der Neusiedlersee prägen die Landschaft des Burgenlands, das sich östlich von Wien und Graz ausbreitet. Nicht mal jeder 100. Schweizer, der Österreich besucht, wählt dieses Bundesland aus. Am einfachsten ist die Anreise ab Wien. Die Weiterreise im Mietwagen oder mit dem Zug dauert je nach Region rund 60 Autominuten.
Der Schilfgürtel des Neusiedlersees ist der zweitgrösste in Europa - nach dem Donaudelta.
1. Der Neusiedlersee ist fast so lang wie der Zürichsee, aber als Steppensee durchschnittlich nur gut einen Meter tief. Er gehört seit 2001 zum Unesco-Welterbe und weist nach dem Donau-Delta den grössten Schilfgürtel Europas auf sowie den dichtesten Rothirschbestand Österreichs. Am interessantesten ist das Dorf Illmitz an der Südostseite des Sees mit dem Informationszentrum zum Nationalpark, der sich bis nach Ungarn ausdehnt. Der erste grenzüberschreitende Nationalpark Österreichs bietet seltene Pflanzen wie den Pannonischen Safran oder seltene Tiere wie Graurinder, weisse Esel, Ziesel oder Libellen- und Froscharten.
Die beste Zeit zur Beobachtung der über 340 Vogelarten: März bis Juni. Vom 15.-23. April 2017 findet die 8. «Pannonian Bird Experience» statt. In der Region laden 30 Velowege mit insgesamt meist flachen 1000 Kilometern ein.
2. Das Restaurant Nyikospark , (Tel. 0043/21 67 40 222) in Neusiedl am See war in der Monarchie ein Offizierskasino und ist heute ein Landgasthaus mit Wintergarten und Weinbar. Es zählt zu den besten Restaurants Österreichs (unbedingt Zander aus dem Neusiedlersee bestellen!) und hat mit den Gastronomen Fritz Tösch einen sympathischen Chef, der schon in Zermatt VS gearbeitet hat.
Jeden Donnerstagabend gibt es einen Special: einen Viergänger inklusive Weinbegleitung für 39 Euro! Zum Absacker eignet sich die Bar Mole West, direkt am Neusiedlersee gelegen.
3. Das Restaurant Taubenkobel in Schützen am Gebirge ist Gourmettempel und Relais & Châteaux in einem. Wer weniger ausgeben möchte, tafelt nebenan in der Greisslerei (Tel. 0043/2684 2297), die im Bistrostil eingerichtet ist.
4. Die Freistadt Rust mit ihren 1920 Einwohnern und einer Rebfläche von 450 Hektar (mehr als der ganze Kanton Aargau!) gehört dank der denkmalgeschützten barocken Altstadt zu den attraktivsten Dörfern Österreichs und ist Heimat der Weinakademie sowie von 14 Storchenpaaren. Hier werden seit dem 15. Jahrhundert Süssweine mit Weltruf produziert. Besonders begeistern die Weingüter Feiler-Artinger (Ruster Ausbruch Essenz, aber auch die Rotweine 1000x Cabernet-Merlot oder Soltaire) und Triebaumer (Ruster Ausbruch oder der Blaufränkische der Lage Ried Mariental).
Tipps: der Feinkostladen Triebaumer am Rathausplatz 4 in Rust oder das Weingut und der Buschenschank Peter Schandl, der ebenfalls am sehenswerten Rathausplatz ein Hotel mit 19 Zimmern führt.
Nur 25 Autominuten von Rust entfernt befindet sich der Imker Simon Tötschinger (29) aus Jois. Sein Honig, den er aus Bienenvölkern am Fuss des Leithagebirges gewinnt, ist grossartig. 300 Gramm kosten 7.80 Euro. Tötschinger führt zweimal monatlich eine Bienenerlebnisführung durch.
5. Kultur: Seefestspiele in Mörbisch (7. 7.–20. 8.) oder Haydntage (8.–18. 9.) im Schloss Esterházy in Eisenstadt. Das Gebäude gehört zu den schönsten Barockschlössern Österreichs, der Haydnsaal zu den schönsten und akustisch besten Konzertsälen der Welt. «Haydn» deshalb, weil der berühmte Komponist hier viele Jahre als Hofmusiker der wohlhabenden ungarischen Familie Esterházy gewirkt hat.
6. Der Wein zählt zu den Aushängeschildern des Burgenlands. Vis-à-vis des Schlosses, am Esterházyplatz 5, befindet sich die Selektion Vinothek Burgenland, die gleichzeitig Laden, Bar und Degustationsraum ist.
Alternative: die Gebietsvinothek in Deutschkreutz (Bild ). Vom 14.-15. Mai findet das «Rotwein Opening Horitschon» statt, vom 10.-12. Juni die «Tage der offenen Kellertür» bei den Weinbauern von Mörbisch. Jeweils im April laden über 30 Ruster Winzer ein, ihre jungen und älteren Jahrgänge zu degustieren. Ein umfangreiches Rahmenprogramm lässt das April-Wochenenende in Rust zu Kurzferien werden – mit Degustationsmenüs in den Ruster Top-Restaurants am Freitagabend, einem Konzert am Samstagabend, Weinseminaren und Ausstellungen.
7. Pannonisch Wohnen: Die Bezeichnung «pannonisch» steht für die Tiefebene im südlichen Mitteleuropa, zu dem auch das Burgenland gehört. Wer regional-typisch in Häusern mit wenig Zimmern und viel Charakter übernachten möchte, sollte auch pannonisch wohnen. Zimmer gibt es schon ab 45 Euro pro Nacht und Person inklusive Frühstück, beispielsweise im Weingut Zentgraf in Mörbisch. Pannonisch nennt sich auch das milde Klima, das dafür sorgt, dass hier bereits Ende Mai die Kirschen reif sind.
Weitere Unterkünfte und Informationen: www.burgenland.info
Quelle: www.migrosmagazin.ch/reisen/wildswelt/artikel/burgenland-sonnenstube-oesterreichs-geheimtipps
April 2016 Autor: Reto Wild